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Therapie des Multiplen Myeloms

Was sind die ersten Schritte auf dem Weg zur Therapie?

Ist die Diagnose Multiples Myelom sicher, stellen sich Patienten und deren Angehörige häufig viele Fragen: Was können wir jetzt tun? Wie wird sich unser Leben verändern? Welche Behandlung ist die richtige? Der Arzt informiert und erklärt die Befunde. In einem gemeinsamen Gespräch wird daraufhin bestimmt, welcher Weg für die Behandlung eingeschlagen werden soll.

Welche Therapieoptionen gibt es und welche kann für mich in Frage kommen?

In den letzten 15 Jahren gab es zahlreiche Fortschritte bei der Behandlung von Patienten mit einem Multiplen Myelom. Auch wenn bislang keine Heilung erzielt werden kann, so wird das Leben vieler Betroffener aufgrund des medizinischen Fortschritts um Jahre verlängert. Inzwischen ist es keine Seltenheit mehr mitunter zehn Jahre mit der Erkrankung zu leben. Vordringliches Ziel der Therapie ist es daher, das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen oder zu verlangsamen.1, 2 Darüber hinaus gilt es, mögliche Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.2

Aber nicht jeder Betroffene eines Multiplen Myeloms muss automatisch und sofort behandelt werden. Um den richtigen Zeitpunkt zur Einleitung einer geeigneten Therapie zu bestimmen, wurden entsprechende Kriterien definiert. Ist beispielsweise das Paraprotein nachweisbar, aber der Anteil von Plasmazellen im Knochenmark nicht allzu hoch (<10%) und es bestehen keine weiteren Krankheitszeichen, so wird in der Regel gewartet und regelmäßig nachuntersucht (dies wird als sogenannte „Wait and See“-Strategie bezeichnet).1, 3 Regelmäßige Kontrollen garantieren, dass sich durch diese „Wartezeit“ der Krankheitsverlauf nicht verschlechtert.2

Doch ab wann muss behandelt werden? Der behandelnde Arzt orientiert sich dabei anhand der sogenannten SLiM-CRAB-Kriterien.1, 3 Diese Empfehlungen wurden von der internationalen Myelom-Arbeitsgruppe (IMWG) erarbeitet.1, 3

 - erhöhtes Kalzium im Blut (engl. hypercalcemia) 
 - Funktionsstörung der Niere (engl. renal insufficiency) 
 - Blutarmut (engl. anemia) 
 - Knochenbeteiligung (engl. bone lesions) 

Die vier CRAB-Kriterien (Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Anämie, Knochenbeteiligung) beziehen sich auf messbare Schäden an den Organen. Die drei neueren SliM-Kriterien sind validierte Biomarker und liefern durch veränderte Werte zum Beispiel im Blut und bei der Bildgebung. Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko für ein schnelles Fortschreiten der Erkrankung. Sind im Knochenmark mindestens 10% klonale Plasmazellen nachweisbar und ist mindestens eines der SLiM-CRAB-Kriterien erfüllt, liegt ein behandlungsbedürftiges Multiples Myelom vor.1, 3

Es gibt heute eine Vielzahl verschiedener Behandlungsmöglichkeiten für Myelom-Patienten, die je nach Stadium der Erkrankung, Symptomen sowie körperlicher Verfassung eingesetzt und teilweise auch miteinander kombiniert werden können. Für die individuelle Therapiewahl spielen auch bereits bestehende Erkrankungen (Komorbiditäten) sowie Vorbehandlungen eine Rolle.1

Die Erstlinientherapie (also die initiale Therapie) richtet sich vor allem auch daran aus, ob ein Patient für eine Hochdosischemotherapie geeignet ist. Auch mit der Verfügbarkeit neuartiger Medikamente, spielt eine Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation eine zentrale Rolle – sofern sie für den Patienten geeignet ist. Diese Wahl der Erstlinientherapie hat sich vor allem aufgrund einer Erhöhung der Rate kompletter Remissionen, einer Verbesserung der Ansprechtiefe und einer längeren progressionsfreien Überlebenszeit (gegenüber einer ausschließlichen medikamentösen Therapie) bewährt.1

Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation

Für Patienten mit gutem Allgemeinzustand ist die hochdosierte Chemotherapie mit anschließender Infusion von eigenen Blutstammzellen (= autologe Stammzelltransplantation) die Therapie der Wahl.1, 2 Durch die Behandlung kann das Multiple Myelom oft für einen längeren Zeitraum zurückgedrängt werden.3

Die Behandlung läuft in mehreren Schritten ab:

  1. Entnahme von Stammzellen aus dem Blut
  2. Hochdosischemotherapie
  3. Rückübertragung der Stammzellen.

Zunächst erhalten die Patienten eine einleitende Therapie (eine sogenannte Induktionstherapie) z.B. mit Immunmodulatoren und / oder Proteasom-Inhibitoren sowie körpereigenen Wachstumsfaktoren, um die Knochenmarkzellen (= Stammzellen) zur Teilung anzuregen.1, 2 Vermehren sich die Stammzellen, werden diese ins Blut ausgeschwemmt und die Zellen dann mithilfe einer speziellen Zentrifuge gewonnen.2 Diesen Vorgang nennt man (Stammzell-) Apherese.5 Anschließend wird die Hochdosischemotherapie durchgeführt. Im letzten Schritt erfolgt dann die Rückübertragung der zuvor gewonnenen Stammzellen (Transplantation).3, 5

Durch die Hochdosischemotherapie werden nicht nur die bösartigen Myelomzellen, sondern auch Zellen der normalen Blutbildung abgetötet.5 Die Transplantation der Stammzellen fördert die Regeneration des gesunden Knochenmarks nach der Hochdosischemotherapie und unterstützt auch die Bildung von Blut- und Abwehrzellen.5

Im Anschluss erfolgt in der Regel eine Erhaltungstherapie mit einem Immunmodulator.1

Für viele Patienten kommt eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation nicht in Frage, weil der Patient zum Beispiel unter Vorerkrankungen leidet. Es wird auf diesem Gebiet jedoch viel geforscht und es gibt eine Vielzahl von möglichen medikamentösen Mehrfach-Kombinationen, die zum Einsatz kommen können.1

Was geschieht, wenn die Krankheit fortschreitet oder die Therapie nicht anschlägt?

Viele Patienten sprechen zunächst gut auf eine Therapie an. Dieses Ansprechen bezeichnet der Arzt auch als Remission. Bilden sich sämtliche Krankheitszeichen zurück und zeigen Blutbild und Knochenmark wieder normale Werte, nennt man dies auch Komplett- oder Vollremission. Verbessern sich die Werte nur, liegt eine Teilremission oder partielle Remission vor.2 Die langfristige Prognose von Patienten mit Multiplem Myelom hängt auch davon ab, ob eine Komplettremission erreicht wird.6 Nach der Phase der Remission kommt es allerdings meist zu einem Rückfall (einem sogenannten Rezidiv) und zum Wiederauftreten der Erkrankung.2 In diesem Fall stehen heute neue, innovative Therapieoptionen zur Verfügung, die das Multiple Myelom wieder in Remission bringen können.  Für Patienten einer rezidivierten / refraktären Erkrankung kommen oft gleich mehrere Therapieoptionen infrage. Ein wichtiges Kriterium für die Therapiewahl, ist dabei der gesundheitliche Allgemeinzustand des Betroffenen.1  Weitere Faktoren schließen die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Erstlinientherapie, bestehende Vortherapien und Komorbiditäten ein.1 Genau wie bei der Wahl der Erstlinientherapie gilt auch hier, dass eine bestmögliche Therapiestrategie immer auch bedeutet, dass diese individuell auf den Patienten zugeschnitten ist. Neben medizinischen Faktoren spielt daher auch die Lebensqualität von Patienten eine Rolle. Persönliche Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen sind ebenso von Bedeutung.5 Der Arzt wird in der Regel gemeinsam mit dem Patienten die jeweils persönlich bestmögliche Behandlung auswählen.

Grundsätzlich orientieren sich weitere Therapien (sogenannte Therapielinien) an den gültigen Therapiestandards und basieren auf aktuellen medizinischen Behandlungsleitlinien.1 Für die Zweitlinientherapie kommen verschiedene Dreifach- oder Zweifachkombinationen infrage, die auf Proteasom-Inhibitoren (PI) oder Immunmodulatoren (ImiD) basieren. Auch monoklonale Antikörper können zum Einsatz kommen.

Grundlage Kombinationen
Dreifachkombinationen
PI-Basis
  • PI + Zytostatikum + Kortikosteroid
  • PI + ImiD + Kortikosteroid
  • PI + monoklonaler Antikörper + Kortikosteroid
Dreifachkombinationen
ImiD-Basis
  • ImiD + PI + Kortikosteroid
  • ImiD + monoklonaler Antikörper + Kortikosteroid
  • ImiD + Zytostatikum + Kortikosteroid
Zweifachkombinationen
PI-Basis
  • PI + Kortikosteroid
Zweifachkombinationen
ImiD I-Basis
  • ImiD + Kortikosteroid

Mögliche Kombinationen der Zweitlinientherapie1

Für Patienten, die ein frühes Rezidiv erleiden, kommt die allogene Stammzelltransplantation in Betracht. Tritt ein Rezidiv spät auf und wurde die Erstlinientherapie gut vertragen, kann die Wiederholung der Induktionstherapie gegebenenfalls gefolgt von einer weiteren Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation erwogen werden.1

Die eventuellen Folgetherapien (also z.B. Dritt-, Viertlinientherapien) werden auch darauf abgestimmt, welche Medikamente der Patient bereits erhalten hat.1 Sie bestehen entweder aus Zweifach- oder Dreifachkombinationen aus der Zweitlinientherapie, alternativ können auch die Kombination Histon-Deacetylase-Inhibitor / PI / Kortikosteroid sowie monoklonale Antikörper oder klassische Zytostatika verabreicht werden.

Broschüre „Welche Therapie im Rezidiv beim Multiplen Myelom?“

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Die Broschüre „Welche Therapie im Rezidiv beim Multiplen Myelom?“ bietet einen Überblick über Therapieoptionen, Informationsquellen und Beispiele für mögliche Fragestellungen, die Sie mit Ihrem Arzt besprechen können. Damit möchten wir sie dabei unterstützen, dass Sie sich gut auf das vertrauensvolle Gespräch mit Ihrem Arzt vorbereiten können.

Zur Broschüre
Allogene Stammzelltransplantation

Die allogene Stammzelltransplantation kann zu einem langanhaltenden Ansprechen führen und sollte im Rahmen klinischer Studien durchgeführt werden.1, 2 Bei der allogenen Stammzelltransplantation werden die Blutstammzellen eines gesunden und immunologisch geeigneten Fremdspenders übertragen.2 In der Regel wird das Verfahren nicht bei der Erstbehandlung durchgeführt, sondern erst wenn es nach ein- oder mehrfacher autologer Stammzelltransplantation zu einem Krankheitsrückfall gekommen ist. Diese Therapieform kann auch nach einem Rückfall noch zu einem langanhaltenden Ansprechen führen.1, 2 Doch die allogene Stammzelltransplantation birgt auch Risiken – so kann sich das übertragene Immunsystem des Spenders gegen die Myelomzellen des Patienten richten und diese bekämpfen (Graft-versus-Host-Erkrankung).2

Proteasom-Inhibitoren (PI)

Proteasomen bauen Eiweiße (Proteine) in den Zellen ab – ein für die Zellen lebenswichtiger Prozess. Wird die Aktivität des Proteasoms durch einen Inhibitor blockiert oder verlangsamt, sammelt sich der Protein-Abfall in der Zelle an. Das kann insbesondere bei Krebszellen dazu führen, dass Wachstums-, Teilungs- und Vermehrungsvorgänge gehemmt oder verlangsamt werden und die Zelle abstirbt.4

Immunmodulatoren (ImiDs)

Immunmodulierende Substanzen (engl. Immunomodulatory Drugs; ImiDs) unterstützen das Immunsystem dabei, Myelomzellen zu bekämpfen.3, 5 Sie scheinen auch die Neubildung von Blutgefäßen zu hemmen, so dass die Krebszellen absterben.3

Monoklonale Antikörper

Monoklonale Antikörper richten sich gegen bestimmte Strukturen auf der Zelloberfläche von Myelomzellen, heften sich an diese an und führen zur Zerstörung von Myelomzellen.2

Histon-Deacetylase-Inhibitoren

Hemmstoffe der Histon-Deacetylase (HDAC), sogenannte HDAC-Inhibitoren, wirken sich ungünstig auf Wachstum und Überleben von Krebszellen aus, indem sie die Überproduktion von Plasmazellen verlangsamen.2

Korikosteroide

Kortikosteroide reduzieren Entzündungen und können zusammen mit anderen Medikamenten bei der Behandlung von Krebserkrankungen wie dem Multiplen Myelom eingesetzt werden.2

Unterstützende Behandlungen für den Knochenschutz

Als Ergänzung zur gewählten Therapie können unterstützende Maßnahmen die Situation der Patienten verbessern. So ist es mit Hilfe der Strahlentherapie möglich, Myelomherde im Knochen punktuell zu zerstören und eine schnelle Schmerzlinderung zu erreichen.

Die Gabe von Bisphosphonaten oder Anti-RANKL-Antikörpern stabilisiert den Knochen, lindert Schmerzen und senkt die Gefahr von Knochenbrüchen.1, 2, 3

Erklärvideo „Die Behandlung des Multiplen Myeloms“

Im Video finden Sie noch einmal eine anschauliche Zusammenfassung, ab welchem Zeitpunkt eine Behandlung des Multiplen Myeloms notwendig ist sowie einen Überblick über die verschiedenen Therapieoptionen.

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Therapieschema und Therapietreue

Bei der Wahl der bestmöglichen Therapie im Rezidiv gilt es, verschiedenste Faktoren zu berücksichtigen.5 Für eine erfolgreiche Therapie des Multiplen Myeloms ist dabei die sogenannte „Therapietreue“ (auch Adhärenz genannt) eine ebenso wichtige Voraussetzung: Das bedeutet, dass die mit dem Arzt vereinbarte Therapie auch entsprechend umgesetzt wird.  Das Therapieschema und die Verabreichungsform eines Medikamentes können dabei beispielsweise die Therapietreue beeinflussen. Gerade Patienten, die ihre Medikamente zuhause anstatt im Krankenhaus oder der Arztpraxis einnehmen, müssen ein größeres Maß an Verantwortung übernehmen. Mithilfe von Medikamentenplänen oder Erinnerungs-Apps können Patienten dabei unterstützt werden, die regelmäßige Einnahme der Arzneimittel einzuhalten, „therapietreu“ zu bleiben und gleichzeitig die patienten-individuellen Vorteile einer flexibleren Medikation zu haben.7 Mehr zu den Themen Therapieschema und Therapietreue beim Multiplen Myelom erfahren Sie im Video.

Erklärvideo „Therapietreue beim Multiplem Myelom“

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Quellen
  1. Wörmann, Bernhard, et al: Leitlinie Multiples Myelom der DGHO (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.), Stand Mai 2018; abrufbar unter:  https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/multiples-myelom/@@view/html/index.html (zuletzt abgerufen April 2021).

  2. Stiftung Deutsche Krebshilfe (Hrsg.): Die blauen Ratgeber „Plasmozytom / Multiples Myelom – Antworten. Hilfen. Perspektiven.“ Stand: 04/2018; abrufbar unter: https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Blaue_Ratgeber/Plasmozytom-Multiples-Myelom_BlaueRatgeber_DeutscheKrebshilfe.pdf (zuletzt abgerufen April 2021).

  3. Deutsche Krebsgesellschaft (Hrsg.): Therapie des Multiples Myeloms, 2019; abrufbar unter: https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/multiples-myelom-plasmozytom-morbus-kahler/therapieindikation.html (zuletzt abgerufen: April .2021)

  4. Rastogi, Namrata and Mishra, Durga Prasad: Therapeutic targeting of cancer cell cycle using proteasome inhibitors; Cell Division, 2012, 7:26 abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3584802/pdf/1747-1028-7-26.pdf (zuletzt abgerufen: April 2021).

  5. Raab, Marc-Steffen, et al: Patientenhandbuch – Multiples Myelom; Myelom Deutschland e.V., 2020. Abgerufen über https://www.myelom-deutschland.de/wp-content/uploads/2020/09/MD_HD_Patientenhandbuch_2020.pdf (zuletzt abgerufen im April 2021).

  6. Steinbrunn, Torsten, et al: Multiples Myelom – dynamische Entwicklungen in Krankheitsverständnis und Therapie; CME – Zertifizierte Fortbildung; Der Onkologe, 2020; 26: 661-672.

  7. Conquer: Unerfüllte Bedürfnisse beim Multiplen Myelom aus Patientenperspektive; Conquer – the patient voice, 2017; abrufbar unter: https://www.takeda-onkologie.de/sites/takeda-onkologie.de/files/2018-10/Sonderpublikation%20Conquer%20Gemeinsame%20Therapieentscheidung_0.pdf (zuletzt abgerufen April 2021).

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