Rückblick drittes Webinar „Multiples Myelom und COVID-19“ für Myelompatienten und Angehörige
Termin: Montag, 22. März 2021 um 17:00 Uhr
Corona-Impfung bei Myelompatienten: In diesem Webinar gibt Herr Prof. Einsele einen Überblick über die inzwischen zur Verfügung stehenden Corona-Impfstoffe und erläutert, welche Aspekte rund um die Impfung speziell für Myelompatienten wichtig sind. Im Anschluss beantwortet er Ihre Fragen.
Referent: Herr Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Universitätsklinikum Würzburg
Herr Prof. Einsele ist Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg. Zusätzlich ist er u.a. Leiter der Deutschen Studiengruppe Multiples Myelom (DSMM), Vorstandsmitglied des Europäischen Myelomnetzwerkes und des Deutschen Kompetenznetzes Maligne Lymphome und Chairman der Scientific Working Group Immunotherapy der European Hematology Association (EHA). Als international renommierter Myelomexperte ist er ein hervorragender Ansprechpartner für Ihre Fragen zum Umgang mit der Erkrankung in Zeiten des Coronavirus.
Fragen und Antworten im Rahmen des Webinars am 22.3.2021
Hinweis: Die Fragen und Antworten wurden redaktionell leicht gekürzt. In der Video-Aufzeichnung finden Sie die Original-Antworten von Herrn Prof. Einsele. Das Webinar fand am 22.3.2021 statt – da sich der Wissenstand rund um COVID-19 täglich erweitert, können mittlerweile neue Erkenntnisse vorliegen.
Aufzeichnung des Webinars:
Multiples Myelom und COVID-19: Impfungen
Prof. Einsele: Alle derzeitig zugelassenen Corona-Impfstoffe sind geeignet. Wenn Sie die Möglichkeit bekommen, sich impfen zu lassen, dann nehmen Sie die Gelegenheit unbedingt so schnell wie möglich wahr.
Prof. Einsele: Das kann man definitiv ausschließen.
Prof. Einsele: Nach einer hochdosierten Kortisontherapie würde ich eine Woche warten bis zur Impfung und ich würde mich auch innerhalb der ersten nächsten 7 Tage nach der Impfung auch nicht mit Kortison (oder: Kortisonpräparaten) behandeln lassen. Nach einer Stammzelltransplantation wissen wir, dass es in der Regel 2-3 Monate dauert, bis sich die Immunfunktion, vor allem die zelluläre Immunfunktion, wieder normalisiert. Von daher würde ich nach einer autologen Stammzelltransplantation 2-3 Monate warten, bis ich mich impfen lasse. Noch länger wird man nach einer allogenen Stammzelltransplantation warten müssen. Ein weiteres Thema sind die IMiDs (Revlimid, Pomalidomid): es gibt Daten, dass ein Impferfolg unter IMiDs sogar verbessert wird, aber da die Substanzen auch immunstimulierend wirken, kann man sich auch vorstellen, dass eine Nebenwirkung einer Impfung durch eine zusätzliche Gabe von IMiDs noch verstärkt wird. Von daher würde ich empfehlen, dass man das IMiD 3-4 Tage vor der Impfung weglässt und auch nach der Impfung 7-14 Tage lang nicht einnimmt.
Prof. Einsele: Eine einmalige Impfung vor Stammzelltransplantation würde ich eher nicht durchführen lassen. Eine Impfung alleine wird nicht ausreichend wirksam sein. Und wir wissen, dass nach autologer Stammzelltransplantation der Impfschutz häufig verloren geht.
Prof. Einsele: Wie vorhin schon erwähnt, ich würde Kortisonpräparate eine Woche vor und nach der Impfung aussetzen und auch IMiDs 3-4 Tage vor und 7 Tage nach der Impfung nicht einnehmen.
Prof. Einsele: Jede Therapie, die das Immunsystem schwächt, kann einen negativen Einfluss auf den Impferfolg haben. Ich denke, dass hier besonders die Kortisonpräparate und die Stammzelltransplantation zu berücksichtigen sind. Ich habe bereits erläutert, wie der Abstand zu diesen Therapien ungefähr sein sollte, damit sich der Impferfolg dann möglichst gut einstellt.
Prof. Einsele: Jeder Patient, der ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf hat, sollte priorisiert werden. Dazu gehört auch ein Patient mit Smoldering Multiples Myelom, da wir wissen, dass auch hier schon das Immunsystem beeinträchtigt ist und schwerere Verläufe von Infektionen auftreten können. Von daher ist für mich das Smoldering Multiples Myelom ebenfalls eine Krankheit, die zur Priorisierung führen sollte.
Frage: Zum Risiko von Hirnvenenthrombosen beim AstraZeneca-Impfstoff: Ist hier bei Myelompatienten etwas Besonderes zu beachten, z.B. wenn die Thrombozyten durch die Myelombehandlung reduziert sind? Sollte man sich impfen lassen, auch wenn die Thrombozyten „unten“ sind?
Prof. Einsele: Eine niedrige Thrombozytenzahl ist kein Risikofaktor für die Hirnvenenthrombose, die dort als sehr seltene Komplikation beschrieben worden ist. Bei dieser Hirnvenenthrombose kommt es sekundär zum Abfall der Thrombozyten, nicht primär. Das heißt, die Zahl der Thrombozyten zum Zeitpunkt der Impfung hat keinen Einfluss auf diese Nebenwirkung. Aber: Wer niedrige Thrombozyten hat, hat Schwierigkeiten mit intramuskulären Impfungen – und die Corona-Impfung wird intramuskulär verabreicht. Daher sollte man darauf achten, dass der Thrombozytenwert ausreichend ist, d.h. mindestens 50.000 Thrombozyten vorhanden ist.
Frage: Als Myelompatient nehme ich täglich ein immunmodulatorisches Medikament ein. Ich unterliege somit dem Risiko des Auftretens von Blutgerinnseln. Ich hatte bereits zwei Thrombosen der Oberschenkel-Beinvene. Habe ich beim AstraZeneca-Impfstoff ein erhöhtes Risiko, diese Thrombosen zu bekommen?
Prof. Einsele: In dieser ganz speziellen Situation würde ich definitiv die immunmodulatorischen Substanzen mindestens eine Woche vor der Impfung absetzen und zwei Wochen nach der Impfung weglassen. Und ich würde trotz dem sehr geringen Risiko bei der AstraZeneca-Impfung tatsächlich hier vielleicht einen anderen Impfstoff empfehlen.
Prof. Einsele: Die immunmodulatorischen Substanzen würden den Impferfolg wahrscheinlich eher verbessern, aber ich hätte die Befürchtung, dass dann Thrombosen oder Embolien häufiger werden und Entzündungsreaktionen stärker auftreten können. Von daher würde ich nicht empfehlen unter immunmodulatorischen Substanzen zu impfen: Nicht weil der Impferfolg dann geringer ist, sondern weil die Nebenwirkungen unter Umständen stärker sind.
Frage: Für meinen Mann ist die Diagnose Multiples Myelom noch ganz neu, die Therapie wird nach Ostern beginnen. Uns wurde empfohlen, dass mein Mann sich für die Corona Impfung registrieren kann und auch zusätzlich die Gürtelrose Impfung machen lässt. Zur Gürtelrose Impfung wurde gesagt, dass er eine Dosis zeitnah machen kann und die zweite Dosis nach der autologen Stammzellentransplantation. Ist der Vorschlag sinnvoll?
Prof. Einsele: Ich würde vor einer Transplantation nicht impfen, weil der Impferfolg verloren geht, insbesondere wenn man nur eine von zwei vorgesehenen Impfungen macht. Zusätzlich wäre ich vorsichtig, auch da gibt es Empfehlungen, dass man nicht die Gürtelrose-Impfung und die Corona-Impfung zeitnah durchführt. Jede Impfung kann Nebenwirkungen auslösen und wenn man beide zeitnah durchführt, kann das Nebenwirkungen verstärken.
Prof. Einsele: Man kann nach der Impfung den Antikörper-Titer messen und dann einen hohen Antikörper-Titer gegen das Sars-CoV-2-Virus feststellen.
Prof. Einsele: Im gleichen Haushalt lebende Angehörigen würde ich genauso impfen wie den Patienten.
Prof. Einsele: Nein, im Gegenteil. Der Patient ist offensichtlich sehr anfällig für Infektionen und wird daher besonders von der Impfung profitieren.
Prof. Einsele: Nein, das kann man für alle Impfstoffe ausschließen.
Prof. Einsele: Das weiß noch niemand. Es macht wahrscheinlich Sinn und es werden jetzt Studien gemacht, um zu untersuchen, wie das Immunsystem eines Myelompatienten auf die Corona-Impfung reagiert. Das kann man über Antikörper-Titer messen. Es kann sein, dass man dann auch wie bei anderen Impfungen eine weitere Booster-Impfung durchführt, wenn der Antikörper-Titer nicht ausreichend angestiegen ist. Aber da fehlen uns zum aktuellen Zeitpunkt noch die Daten.
Prof. Einsele: Nein, Immunglobuline spielen hier überhaupt keine Rolle. Das sind ja Eiweißstoffe, die man dem Körper von außen zuführt. Die haben keinen Einfluss auf die Infektion oder auf den Impferfolg.
Prof. Einsele: Das ist eine gute Frage. Die Risikogruppe sind vor allem Frauen im Alter von 20 – 50 Jahren. Bei der geringen Anzahl von Hirnvenenthrombosen wäre ich allerdings zurückhaltend, eine Empfehlung abzugeben, aber eine gewisse Sinnhaftigkeit hat die Frage schon. Ich würde aber keine Empfehlung abgeben, dass grundsätzlich AstraZeneca nicht bei Frauen zwischen 20 und 50 Jahren zur Anwendung kommen sollte.
Prof. Einsele: Hier liegt ein stimuliertes Immunsystem vor. Bisher hat man keine Daten vorliegen, dass die Patienten auf die Impfung schwerer reagieren oder einen geringeren Impferfolg zeigen.
Prof. Einsele: Das sind völlig richtige Überlegungen, das kann ich bestätigen.
Prof. Einsele: Bei der Erhaltungstherapie handelt es sich um IMiDs. Und da hätte ich die Befürchtung, dass zwar wahrscheinlich der Impferfolg verbessert wird, wie man es z.B. bei der Pneumokokkenimpfung beobachtet hat, aber dass möglicherweise die Nebenwirkungen der Impfung stärker ausfallen könnten, da die Therapie auch proinflammatorisch wirkt. Von daher würde ich diese Substanzen eine Woche vor der Impfung absetzen und mindestens eine Woche danach nicht einnehmen. Es gibt aber keine Daten dazu, das ist eine Expertenmeinung.
Prof. Einsele: Nein, daraus kann man gar nichts schließen.
Prof. Einsele: Beim Multiplen Myelom muss man davon ausgehen, dass ein gewisser Immundefekt bleiben wird und somit ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf einer Sars-CoV-2 Infektion bestehen bleibt. Von daher würde ich ganz klar impfen.
Prof. Einsele: Das kommt ganz auf den Antikörper an. Bei typischen Myelomtherapien scheint es nicht so zu sein, dass es einen Einfluss auf den Impferfolg gibt.
Prof. Einsele: Ja, aber nicht routinemäßig. Wenn Zweifel bestehen, ob die Impfung z.B. unter Therapie erfolgreich war, kann man den Antikörper-Titer bestimmen und bekommt damit eine gute Aussage über den Impferfolg.
Prof. Einsele: Da gibt es keinen Unterschied.
Prof. Einsele: Möglicherweise haben die Angehörigen bereits einen ausreichenden Schutz. Ich würde bei den Angehörigen einen Antikörper-Test machen lassen und überprüfen, wie gut die Immunantwort ist und dann kann man immer noch entscheiden, ob eine zusätzliche Impfung sinnvoll ist; wenn dann aber nur eine Impfung.
Prof. Einsele: Wenn man im gleichen Haushalt lebt, gibt es auch für diese Person eine Empfehlung.
Prof. Einsele: Ja.
Prof. Einsele: Das kommt auf den Messzeitpunkt an. Wenn 2-3 Monate nach der Impfung gemessen wird, dann müsste ein Antikörper-Titer messbar sein. Wenn wenige Tage nach der Impfung gemessen wird, dann kann eine Verzögerung gut möglich sein. Ich hatte im Vortrag gezeigt, dass es wahrscheinlich 14 Tage bis drei Wochen dauert, bis man etwas sieht. Und bei manchen wird man eher einen signifikanten Anstieg nach der zweiten Impfung sehen.
Prof. Einsele: Nein.
Prof. Einsele: Wenn eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht wurde, macht es Sinn, den Antikörper-Titer zu messen und sich dann eventuell nicht oder nur einmal impfen zu lassen. Wenn die Person sich aber nicht erinnern kann, dass sie eine Sars-CoV-2 Infektion gehabt hat bzw. es keinen Anhaltspunkt für eine Infektion gab, dann sehe ich das als wenig sinnvoll an – dann würde mich einfach impfen lassen.
Rückblick zweites Webinar „Multiples Myelom und COVID-19“ mit Herrn Prof. Einsele, Universitätsklinikum Würzburg, am 3.7.2020
In diesem Webinar gab Herr Prof. Einsele ein Update zu den wichtigsten Empfehlungen für Myelompatienten in Zeiten der Lockerungen der Corona-Maßnahmen, berichtete über erste internationale Erfahrungen zum Verlauf von COVID-19 bei Myelompatienten und beantwortete dann Patientenfragen.
Zweites Webinar „Multiples Myelom und COVID-19“
Zweites Webinar „Multiples Myelom und COVID-19“ für Myelompatienten und Angehörige
Fragen und Antworten im Rahmen des Webinars am 3.7.2020
Hinweis: Die Fragen und Antworten wurden redaktionell leicht gekürzt. In der Video-Aufzeichnung finden Sie die Original-Antworten von Herrn Prof. Einsele. Das Webinar fand am 3.7. statt – da sich der Wissenstand rund um COVID-19 täglich erweitert, können mittlerweile neue Erkenntnisse vorliegen.
Prof. Einsele: Unsere bisherige Empfehlung gilt nach wie vor: Vermeiden Sie in der Phase vor einer Stammzelltransplantation weitgehend soziale Kontakte, das heißt auch den Kontakt mit Kindern – gerade, wenn diese in die Schule oder den Kindergarten gehen. Haustiere sehe ich nicht als Problem.
Prof. Einsele: Ja, die vorhin erwähnte Studie aus Großbritannien hat gezeigt, dass höhere Dosen von Dexamethason die Phase des überschießenden Immunsystems dämpfen können und damit dann die Verläufe günstiger waren. Ich wäre trotzdem vorsichtig und würde keine Steroide einsetzen, wenn ein Patient eine normale Immunantwort zeigt. Das sind auch die Empfehlungen in Deutschland, die wir von unserer Fachgesellschaft veröffentlicht haben. Die Überlegung dahinter ist: Wir brauchen die Immunantwort, um das Virus unter Kontrolle zu bringen. Wenn die Immunantwort nicht überschießend abläuft, ist sie eher vorteilhaft und man würde sie nicht durch Steroide dämpfen wollen. Aber wenn ein Patient einen schweren Verlauf hat, z.B. hohes Fieber entwickelt und möglicherweise auch Organfunktionsstörungen – dann würde man immunsuppressiv behandeln. Wir tendieren in Deutschland aktuell dazu, dann sehr selektiv die Botenstoffe auszuschalten. Man kann auch zu Steroiden greifen, damit haben die Kollegen in England und Italien positive Erfahrungen gemacht – aber eben nur bei schweren Verläufen.
Prof. Einsele: Dazu wurden intensive Untersuchungen durchgeführt. Es macht sicher Sinn, ausreichend die Hygienemaßnahmen zu berücksichtigen, dazu gehören Mund-Nasen-Schutz und nach Kontakten sehr großzügig die Händedesinfektion – aber jetzt die ganze Wohnung zu desinfizieren halte ich für eher nicht hilfreich.
Prof. Einsele: Es gibt Hinweise, dass möglicherweise die Blutgruppe A mit einem etwas höheren Risiko assoziiert ist – aber die Daten sind nicht eindeutig. Wenn überhaupt, hat das einen marginalen Einfluss. Wenn eine allogene Stammzelltransplantation durchgeführt wurde, dann legt die neue Blutgruppe das Risiko fest. Ich würde mir da aber wenig Sorgen machen, die Daten zu einem höheren Risiko von Blutgruppe A sind eher zweifelhaft.
Prof. Einsele: Nein, da gibt es keine Hinweise. Diese Formen des Multiplen Myeloms sind sehr selten. Weltweit haben wir ja erfreulicherweise nur sehr wenige Myelompatienten gesehen, die von COVID-19 betroffen sind, so dass Subgruppenanalysen hier sehr klein wären. Bisherige Analysen haben nicht gezeigt, dass COVID-19 bei asekretorischen Formen günstiger oder ungünstiger verläuft als bei sekretorischen Formen des Multiplen Myeloms.
Prof. Einsele: Die internationalen Daten zeigen, dass eine Erhaltungstherapie wenig Einfluss auf den Verlauf einer COVID-19 Erkrankung hat. Ich würde den Patienten oder die Patientin ermuntern, dass die Thromboseprophylaxe konsequent eingehalten wird, da COVID-19 das Thromboserisiko nochmals erhöht. Ich würde ansonsten für diese Person aber kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf sehen. Aber natürlich wie alle Myelompatienten sehr vorsichtig sein, Kontakte weitgehend einschränken, Hygienemaßnahmen einhalten und Personen mit Anzeichen einer Infektion oder Erkältungskrankheit meiden.
Prof. Einsele: Die ist in den entsprechenden Ländern – das waren Daten aus England, Frankreich und Spanien – etwa halb so hoch, zwischen 15 und 20 Prozent.
Prof. Einsele: In der derzeitigen Situation, in der wir sehr wenige Fälle haben und wenn Sie nicht in einem Hotspot leben, sehe ich kein Problem, die Kinder in die Kita oder Schule gehen zu lassen.
Prof. Einsele: Das ist noch nicht ganz klar. Man weiß, dass viele Menschen, die eine SARS-CoV-2 Infektion durchgemacht haben, Antikörper entwickeln – also IgG, IgM, IgA. Man weiß auch, dass die IgG Antikörper lange bestehen können. Wie lange genau, wissen wir allerdings noch nicht. Von der Grippe wissen wir, dass sich das Virus verändert und wir jedes Jahr neu mit einem angepassten Impfstoff impfen müssen. Bei SARS-CoV-2 scheint dies nicht der Fall zu sein, also die genetische Variabilität scheint nicht so hoch zu sein. Aber wie lange die Antikörper anhalten, wissen wir noch nicht, das müssen Studien noch zeigen. Wir wissen auch noch nicht, wie die Situation bei Myelompatienten aussieht. Wir haben eine Antikörper-Entwicklung bei Myelompatienten gesehen, aber es ist noch nicht bekannt, ob die Antikörper hier eher länger oder eher kürzer anhalten, die Daten fehlen uns noch.
Prof. Einsele: Ich würde das Risiko hier sehr gering einschätzen, dass ein schwerer Verlauf auftritt. Aber natürlich trotzdem bitte die üblichen Vorsichtsmaßnahmen weiter einhalten.
Prof. Einsele: Die Daten unserer deutschen Patienten haben nicht gezeigt, dass unter Erhaltungstherapie ein höheres Risiko für schwere Verläufe besteht – bei einer allerdings sehr eingeschränkten Patientenzahl in Deutschland. Aber auch die internationalen Erfahrungen der Kollegen haben keinen Eindruck für häufigere schwere Verläufe bei COVID-19 unter Erhaltungstherapie vermittelt. Aber – wie vorhin schon gesagt, eine Erhaltungstherapie mit immunmodulatorischer Substanz bedeutet ein etwas höheres Risiko für thromboembolische Komplikationen – und das kann durch eine zusätzliche schwere COVID-19 Erkrankung nochmal deutlich erhöht werden. Daher ganz wichtig: Die Thromboseprophylaxe (Aspirin, niedermolekulares Heparin oder eine andere Substanz) muss zwingend eingehalten werden. Ich möchte Sie bitten, sehr sorgfältig darauf zu achten. Auch wenn eine Thromboseprophylaxe bei Erhaltungstherapie eventuell vorher nicht durchgeführt wurde – jetzt in dieser Zeit, gerade wenn die COVID-19 Erkrankungen wieder zunehmen, ist sie sehr sinnvoll.
Prof. Einsele: Im Augenblick sehe ich kein Problem, eine Rehabilitation anzutreten und das ist sicher empfehlenswert.
Prof. Einsele: Hier gilt das gleiche wie bei der Frage zum Diabetes mellitus. Arterieller Hypertonus ist ein Risikofaktor. Je besser er eingestellt ist, desto geringer wird er einen Effekt haben.
Prof. Einsele: Wir wissen, dass bei einer COVID-19 Erkrankung IgG, IgM und IgA Antikörper gebildet werden. Diese werden aber von gesunden Plasmazellen gebildet. Das Paraprotein, das man beim Myelom misst, kommt von den bösartigen Plasmazellen. Diese Immunglobuline, die beim Myelom gebildet werden, sind nicht wirksam gegen das SARS-CoV-2 Virus. Von daher darf man nicht davon ausgehen, dass der Typ des Myeloms, egal ob es IgG, IgM oder IgA Paraprotein produziert, irgendeinen Effekt auf den Verlauf einer SARS-CoV-2 Infektion hat. Man würde eher davon ausgehen, dass bei aktiver Myelomerkrankung, wenn wenig gesunde Plasmazellen vorhanden sind, die Antikörperbildung gegen SARS-CoV-2 eher gehemmt und eingeschränkt sein wird. Das ist anders in Remission, da kann man wahrscheinlich von einer normalen Funktion der gesunden Plasmazellen ausgehen.
Prof. Einsele: Das ist sicher eine schwierige Situation. Jeder der drei Personen hat ein erhöhtes Risiko – nicht für die Ansteckung, aber für einen schweren Verlauf von COVID-19, wenn er sich ansteckt. Von daher – maximale Hygiene und maximales „Social distancing“, um alle bestmöglich zu schützen.
Prof. Einsele: Da muss man unterscheiden zwischen autologer und allogener Transplantation. Nach autologer, also Transplantation von eigenen Stammzellen, wissen wir aus eigenen Untersuchungen, dass sich das Immunsystem nach ca. 2-3 Monaten wieder erholt. Vor einigen Jahren haben wir z.B. bei der Schweinegrippe wenige Wochen nach autologer Stammzelltransplantation geimpft und Impferfolge gesehen. Das heißt, bei autologer Stammzelltransplantation würde ich bei entsprechendem zeitlichem Abstand keine Probleme sehen, einen Impferfolg zu erwarten. Anders ist es bei der allogenen, also fremden Stammzelltransplantation, insbesondere wenn eine schwere Abstoßungsreaktion vorliegt – da ist der Impferfolg sicherlich eher eingeschränkt.
Rückblick erstes Webinar am 21.4.2020
In diesem Webinar am 21.4.2020 gab Frau Prof. von Lilienfeld-Toal einen kurzen Überblick über die wichtigsten aktuellen Empfehlungen für Myelompatienten und beantwortete dann Patientenfragen zum Umgang mit der Erkrankung in Zeiten von COVID-19.
Webinar „Multiples Myelom und COVID-19“ für Myelompatienten und Angehörige
Fragen und Antworten im Rahmen des Webinars „Multiples Myelom und COVID-19“
Hinweis: Die Fragen und Antworten wurden redaktionell leicht gekürzt. In der Video-Aufzeichnung finden Sie die Original-Antworten von Frau Prof. von Lilienfeld-Toal. Das Webinar fand am 21.4. statt – da sich der Wissenstand rund um COVID-19 täglich erweitert, können mittlerweile neue Forschungsergebnisse vorliegen.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Myelompatienten zählen grundsätzlich zu den Hochrisikopatienten für Infektionen. Inwieweit dies allerdings auch für das neue Coronavirus SARS-CoV-2 gilt, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht klar. Generell ist bei Myelompatienten die Infektneigung nicht immer gleich. Sie ist vor allem hoch in den Phasen, in denen die Erkrankung aktiv ist, d.h. beispielsweise am Anfang der Erkrankung und in den ersten Phasen der Therapie. Diese Patienten sind Hochrisikopatienten und stark gefährdet. Zusätzlich sind Patienten besonders gefährdet, die sich aktuell rund um eine Hochdosistherapie befinden. Nach einer Hochdosistherapie macht man eine Phase durch, in der man besonders infektgefährdet ist. Die Dauer ist hier individuell unterschiedlich. Manche Patienten erholen sich relativ schnell, andere Patienten brauchen dazu etwas länger – als groben Richtwert sagen wir drei Monate der intensiveren Infektgefährdung. Das ist etwas, was Sie Ihren behandelnden Arzt/Ihre behandelnde Ärztin im Einzelfall fragen können, weil verschiedene Werte dabei eine Rolle spielen. Unter anderem, ob man gesunde Antikörper bilden kann, dann hat man eine niedrigere Infektneigung. Und die Patienten, die eine sehr gut beherrschte Myelomerkrankung haben mit einem gut erholten Blutbild und gut erholten Antikörpern, möglicherweise mit oder ohne Erhaltungstherapie, die sind möglicherweise nicht stärker als andere Menschen auch gefährdet.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Die Patienten, die gerade akut eine Therapie bekommen und akut gefährdet sind, müssen besonders geschützt werden. Ich glaube, dass viele Patienten das auch schon vor COVID-19 gehört und praktiziert haben – denn man möchte diese Patienten ja z.B. auch vor einer schweren Influenza schützen. Es ist also in diesen akuten Therapiephasen nie gut, wenn Patienten Kontakt mit infizierten Menschen haben. Auf der anderen Seite können die Patienten, deren Myelomerkrankung gut unter Kontrolle ist, sich im Großen und Ganzen relativ normal verhalten. D.h. ich denke Sie sollten sich an die allgemeinen Verhaltensregeln halten, es sei denn Sie sind aktuell in einer besonderen Gefährdung – dann sollten Sie dies mit dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin absprechen.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Aktuell gibt es klare Richtlinien, wie man sich vor und nach Transplantationen zu verhalten hat. Es wird ziemlich stark gescreent bei den Patienten, die für Transplantationen anstehen. Und wenn diese Patienten eine Infektion haben, wird die Transplantation ausgesetzt und erst nach einem gewissen Zeitfenster ausgeführt. Das gilt ganz besonders für die allogene Transplantation, also die Transplantation durch einen anderen Spender, aber auch für die Eigen-Transplantation. Um die Transplantation herum gibt es also in Bezug auf das Coronavirus sehr ausführliche Vorsichtsmaßnahmen. Die individuellen Schutz-Maßnahmen danach sind besonders in den ersten drei Monaten nach der Transplantation wichtig, wie eben erläutert.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Ja – weil zwei Risikofaktoren zusammenkommen. Wahrscheinlich sind die Herzkreislauferkrankungen als Risikofaktor für die SARS-CoV-2 Infektionen wichtiger.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Es ist ganz wichtig, dass man damit so umgeht, wie man es normalerweise auch tun würde. Die Kliniken und Notfalleinrichtungen sind darauf vorbereitet und trennen z.T. auch räumlich nach Corona- und Nicht-Corona-Notfällen. Wichtig ist, dass man nicht aus Angst auf diesem akuten Problem sitzen bleibt. Ein Notfall ist auch jetzt ein Notfall und wird auch jetzt so behandelt, das ist ganz wichtig.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Achten Sie auf eine gute Ernährung, darauf Vitamine auszugleichen und auf viel Bewegung. In Zeiten der Isolation ist das natürlich schwierig. Auch kann es für jeden Menschen unterschiedlich sein, was hilft, um die fehlende Nähe zu Angehörigen zu ersetzen. Es empfiehlt sich darauf zu achten, dass man nicht komplett vereinsamt, Hilfe anzunehmen und Unterstützung auch zuzulassen. Und um nochmal die Wichtigkeit der Abstandsregelung zu betonen – das ist nicht einfach ausgedacht, sondern wenn man zwei Meter Abstand hält, ist das eine relativ sichere Distanz. Das kann auch ein Weg sein, um durch die Isolation durchzukommen.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Konkret heißt das, dass sowohl die neutrophilen Granulozyten (Fresszellen) ungefähr bei eins pro Nanoliter oder bei 1000 pro Mikroliter liegen, je nach der Einheit des Labors. Und dass außerdem auch einige Lymphozyten vorhanden sind, ungefähr 500 pro Mikroliter. Das liegt deutlich unter dem, was man als Normalwert verstehen würde. Es ist wichtig zu verstehen, dass Sie nicht die Normalwerte erreichen müssen. Die Natur hat hier einen Puffer eingebaut, so dass man auch darunter einigermaßen gegen Infektionen geschützt ist. Auch das ist etwas, was Sie mit Ihrem behandelnden Arzt/Ihrer behandelnden Ärztin individuell besprechen sollten – wie ist meine persönliche Risikosituation.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Das sollten Sie individuell mit Ihrem behandelnden Arzt/Ihrer behandelnden Ärztin besprechen. Wir haben in unserer Sprechstunde teilweise Kontrolltermine verschoben, wenn das aus medizinischen Gründen möglich war. In diesen Fällen haben wir die entsprechenden Patienten dann von uns aus kontaktiert. An einigen Stellen haben wir auf eine telefonische Besprechung der Blutwerte umgestellt. Und bei uns ist es so, dass die Patienten, die wir nicht kontaktiert haben, ihre Termine auch wahrnehmen sollen. Dazu haben wir bei uns relativ stark umstrukturiert, z.B. den Wartebereich angepasst, so dass Masken getragen werden, Abstand gehalten wird und wir bemühen uns die Wartezeit so kurz wie möglich zu halten. Wichtig ist, dass die Kontrolle über die Myelomerkrankung möglichst gut erhalten bleibt. Es wäre nicht gut, wenn alle prophylaktisch die nächsten Monate nicht mehr zum Arzt gehen und dann etwas passiert und die Erkrankung nicht mehr gut unter Kontrolle ist. Erkundigen Sie sich, wie das bei Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin geregelt ist.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Viele Myelompatienten sind aufgrund des durchschnittlichen Erkrankungsalters von 70 Jahren allein schon aufgrund des Alters in der Risikogruppe für schwere Verläufe von COVID-19. Diese Menschen sollten möglichst wenig Kontakt mit Menschen haben, die als klassische Infektionsüberträger dienen können und dazu gehören leider auch kleine Kinder, d.h. die Enkelkinder und Familienangehörige, die viel Außenkontakt haben. Das heißt, es ist leider schon eine relativ starke Empfehlung, die physischen Kontakte auf ein Minimum zu begrenzen. Es sollten also wirklich nicht die Großmütter sein, die aktuell auf kleine Kinder aufpassen. Das kann helfen, Myelompatienten so gut wie möglich zu schützen. Das ist natürlich leichter gesagt, als getan und eine Isolation macht keinen Spaß. Es ist daher wichtig, gemeinsam zu überlegen und Wege zu finden, um trotzdem in Kontakt zu bleiben und zu schauen, wie man als Angehöriger unterstützen kann. Und alle Dinge, die der Gesundheit guttun, wie z.B. Spaziergänge draußen, sind sehr empfehlenswert und unterstützen das Immunsystem.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Warmes Wasser ist immer besser als kaltes, aber waschen Sie Obst und Gemüse so wie immer und essen Sie ausreichend davon.
Prof. von Lilienfeld-Toal: So wie immer.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Normalerwiese bin ich keine Befürworterin von Handschuhen. Aber in diesem Zusammenhang können Handschuhe durchaus sinnvoll sein als zusätzliche Barriere. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist, dass man diese Barriere immer gleich einsetzt. D.h. zum Beispiel wenn man das Auto noch zum „Zuhause“ zählt, dann sollte man die Handschuhe immer nach dem Einkaufen ausziehen, bevor man ins Auto einsteigt. Oder man entscheidet, dass das Auto nach draußen gehört, dann behält man die Handschuhe so lange an, bis man zuhause ankommt. Aber die Handschuhe dürfen kein falsches Gefühl der Sicherheit geben. Handschuhe dürfen auf gar keinen Fall das Händewaschen ersetzen, d.h. in jedem Fall als erstes nach dem Nachhausekommen vom Einkaufen die Hände waschen. Das ist wahrscheinlich deutlich wichtiger als die Handschuhe am Einkaufswagen.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Das ist noch nicht abschließend geklärt. Prinzipiell kann das Virus über noch eine Weile auf Oberfläche leben, gerade wenn diese viel benutzt werden und möglicherweise kurz vorher jemand angefasst hat, der das Virus auf den Handflächen hatte. Deshalb ist die Händehygiene so wichtig, weil das die Übertragung am stärksten beeinflusst. Es ist allerdings auch nicht so, dass wir davon ausgehen, dass Viren ewig lange leben auf Oberflächen. Von daher muss man auch keine Angst vor seiner eigenen Herdplatte haben.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Das ist die sogenannte Inkubationszeit, bei der wir am Anfang von ca. 4-5 Tage ausgegangen sind. Das kann aber auch deutlich länger sein – deswegen gibt es das Zeitfenster von 14 Tagen, innerhalb derer die Symptome dann ausbrechen.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Auf jeden Fall. Aber es sollte nicht nur auf SARS-CoV-2 getestet werden. Unser Anliegen ist auch, sich nicht nur komplett auf Corona zu fokussieren, vor allem, wenn Krebstherapien bevorstehen. Denn wenn Sie Atemwegsbeschwerden inkl. Husten und Halsschmerzen haben, kann das auch etwas anderes sein. Es wäre falsch zu sagen, es ist alles in Ordnung, wenn der Coronatest dann negativ ist – Sie können ja auch eine schwere Erkrankung von einem anderen Virus bekommen.
Prof. von Lilienfeld-Toal: So wie Sie immer ihre Erkältungserkrankungen behandeln. Es gab eine gewisse Welle, dass man möglicherweise mit bestimmten Entzündungshemmern vielleicht einen Schaden anrichtet, das ist wahrscheinlich Unsinn. Es gibt aktuell keinen Grund, etwas anders zu machen als sonst. Der einzige Unterschied ist, dass Sie in stärkerer ärztlicher Kontrolle sein sollten. Während man bei anderen Erkältungskrankheiten den Patienten empfiehlt nach Hause zu gehen und sich auszukurieren, sollte beim Coronavirus der Kontakt zum Arzt enger sein, da der klinische Verlauf so untypisch ist. COVID-19 fängt harmlos an und das dicke Ende kommt dann erst später. Das ist andersherum, als wir es bei anderen respiratorischen Viren kennen. Von daher: Hausmittel und Maßnahmen so wie sonst auch, aber häufigerer Kontakt zum Arzt (z.B. alle 2-3 Tage mal anrufen) und auch bei Verschlechterung schneller in Klinik, als sie das sonst normalerweise machen würden.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Ja, es gibt lokale Telefonberatungen, Fiebersprechstunden und Hotlines – am besten die Kontakte lokal rausfinden.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Das ist relativ klar definiert. Intravenöse Immunglobuline sind zugelassen für Patienten, die einen IgG unter 4 haben, was deutlich niedriger ist als der untere Normalwert, und die schon Infektionen hatten. Also eine Gabe einfach nur so ist nicht zugelassen und wird auch von der Kasse nicht übernommen.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Hier geht es um Antikörper-Sammlungen von Menschen, die die COVID-19 Erkrankung schon durchgemacht haben. In dem Plasma dieser Menschen sind Antikörper gegen das Coronavirus drin und man erhofft sich, dass diese dann einen Effekt haben könnten, ähnlich wie eine passive Impfung. In der Petrischale funktioniert das, die Antikörper neutralisieren tatsächlich. Insofern macht man sich große Hoffnungen, das muss sich in der klinischen Praxis allerdings noch bewähren. Trotzdem ist das ein sehr sinnvolles Produkt und es wird intensiv daran geforscht, das Plasma gewonnen und es gibt Studien dazu. Persönlich finde ich das eine sehr sinnvolle Idee und hoffe, dass man da schnell weiterkommt.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Ja, ich denke schon – mit allen Schutzmaßnahmen, die alle anderen aktuell auch befolgen sollen. Das ist ein ganz wichtiger Appell, dass ausreichend Schutzausrüstung verfügbar ist, für alle, die sie im Gesundheitsbereich dringend brauchen. Sie sollten also auf jeden Fall ausreichend Schutzausrüstung bekommen, können dann aber entsprechend arbeiten.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Das Fitnesstudio würde ich so ähnlich betrachten wie das Einkaufszentrum. Wenn man aufpasst, dass man wenig Kontakt zu den Flächen dort hat, kann man das wahrscheinlich riskieren. Persönlich empfehle ich meinen Patienten allerdings lieber in den Wald oder Park zu gehen, wo man wirklich gut Abstand halten kann und nichts anfasst, was jemand anderes angefasst hat. Aber das ist eine Einschätzung, die man selbst treffen muss. Wichtig ist, sich im Fitnessstudio auf keinen Fall selber ins Gesicht zu fassen und danach gründlich die Hände zu waschen.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Wir gehen davon aus, dass ein Mensch, der die Infektion durchgemacht hat, zumindest für eine Zeit immun ist und dann andere nicht anstecken kann. Die Frage nach Zweitinfektionen oder Neuinfektionen ist durch die Presse gegangen. In der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion gehen wir davon aus, dass dies nicht stimmt, sondern eher nur ein sehr langsamer Verlauf von einer Infektion ist. Und dass man in der Mitte dieser Infektion fälschlicherweise unauffällige Befunde erhoben und gedacht hat, dass die Infektion vorbei ist, dabei stimmte das nicht. D.h. aktuell gehen wir davon aus, dass es Zweitinfektionen so rasch danach nicht gibt, sondern eher verschleppte Erstinfektionen sind. Und das ändert natürlich die Situation ihrer ersten Frage – wenn dieser Mensch noch gar nicht fertig ist mit der Infektion, dann kann er natürlich prinzipiell auch andere noch anstecken. Wobei man schon sagen muss, dass die Ansteckungsfähigkeit generell nach der ersten Woche dramatisch abnimmt, auch bei den schwer erkrankten Patienten.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Wenn es geht ja. Das ist eine schwierige Abwägung. Man muss z.B. prüfen, wie groß und überschaubar der Kindergarten ist und auch wie in dem Moment die Epidemiologie vor Ort aussieht. Aber ein 4,5 Jahre altes Kind im Kindergarten und ein Myelom, was erst ein Jahr alt ist, ist eine relativ risikoreiche Konstellation.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Mit den Kindern besprechen, wie man einen Weg finden kann, dass möglichst keine Infektionen auftreten. Das 11-jährige Kind ist ja wahrscheinlich im Moment auch noch zuhause. Da sollte man überlegen, wie man die Quarantäne so einhalten kann, dass da kein Durchbruch ist. Und das 17- jährige Kind wird wahrscheinlich in die Schulabschlussphase gehen, ist aber andererseits vielleicht auch schon mehr in der Lage zu verstehen, was es mit Abstand etc. auf sich hat. Es sollte geschaut werden, dass möglichst kein Kontakt und keine Risikokonstellation entsteht.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Relativ hoch. Deshalb gibt es immer der Hinweis, dass man sich nicht mit den Händen in die Augen fassen oder reiben soll. Das Virus kommt nicht durch die Luft in die Augen geflogen – zumindest nicht bei den Abstandsregeln, sondern es wird durch die Hände dort rein getragen.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Da streiten wir uns ein bisschen unter den Wissenschaftlern. Im Moment würde ich sehr genau schauen, welche Therapien der Patient aktuell braucht. In manchen Situationen kann es sein, dass man es ggf. vertreten kann, in eine Erhaltungstherapie zu gehen. Aber grundsätzlich ist es so, dass nur die Patienten eine zweite Hochdosistherapie bekommen, bei denen wir davon überzeugt sind, dass sie diese auch brauchen und dann muss man die auch machen. Und da wir aktuell in Deutschland eine relativ gute Situation haben, was die Epidemiologie betrifft, sind im Moment auch die Kapazitäten in den Krankenhäusern ganz gut. Wenn eine zweite Hochdosis also notwendig ist, würde ich sie lieber jetzt machen, als zum Beispiel im Herbst oder Winter, wo wir gar nicht wissen, was auf uns zukommt.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Davon geht kein Risiko aus. Blutprodukte können die Infektion nicht übertragen, von daher können Sie diese ruhig bekommen. Selbst Blutspenden sollten Sie als Myelompatient sowieso nicht.
Prof. von Lilienfeld-Toal: So wie Quarantäne sonst empfohlen wird, d.h. über 14 Tage. Bevor Sie also in eine stationäre Therapie gehen, empfehlen wir eine Quarantäne von 14 Tagen, z.B. vor einer Hochdosistherapie. Ansonsten haben wir beim Myelom viele Therapien, die langfristig gegeben werden und da ist Quarantäne ein dehnbarer Begriff – einfach so wenig soziale Kontakte wie möglich langfristig.
Prof. von Lilienfeld-Toal: Wir haben keinen Anhalt dafür, dass Rheuma das Risiko erhöht. Viele Rheumapatienten bekommen Medikamente, die das Immunsystem ein bisschen dämpfen, von daher haben wir das Gefühl, dass dies keinen schwereren Verlauf macht. Ich würde hier keine besondere Risikokonstellation sehen.

Frau Prof. von Lilienfeld-Toal ist Professorin für Infektionsforschung in der Hämatologie/Onkologie und stellvertretende Klinikdirektorin in der Abteilung für Hämatologie und Internistische Onkologie am Universitätsklinikum Jena. Zusätzlich ist sie die 2. Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie (AGIHO) der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Sie ist Verfasserin von nationalen und internationalen Leitlinien zum Umgang mit Krebspatienten zu COVID-19-Zeiten und als ausgewiesene Myelomexpertin hervorragende Ansprechpartnerin für Ihre Fragen zum Umgang mit der Erkrankung in Zeiten des Coronavirus.